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Die
Aborigines, Australiens Ureinwohner, kamen vor 60 000
bis 40 000 Jahren nach Australien. Vor etwa 30 000
Jahren hatten sie den größten Teil des Kontinents
besiedelt, darunter auch die südwestlichen und südöstlichen
Randgebiete. Tasmanien war zu dieser Zeit noch ein Teil
des australischen Festlandes und wurde erst später
durch den nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstieg von
Australien abgetrennt. Infolge der erfolgreichen
Anpassung an eine Vielfalt unterschiedlicher
Lebensbedingungen hatte sich die australische Urbevölkerung
bis zur Zeit der Ankunft der ersten weißen Siedler auf
zwischen 300 000 und eine Million Menschen vermehrt. Es
wird angenommen, dass Arnhemland lange vor dem 17.
Jahrhundert von makassischen Händlern aus dem heutigen
Indonesien aufgesucht wurde. Außerdem gab es Kontakte
mit Neuguinea, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass
nach dem 15. Jahrhundert chinesische, malaiische und
arabische Schiffe an der Nordküste Australiens vor
Anker gingen. Australien blieb jedoch bis zum 17.
Jahrhundert von westlichen Forschungsunternehmungen
unberührt.
Obwohl Australien der westlichen Welt nicht bekannt war,
spielte es doch in der spätmittelalterlichen Logik und
Mythologie eine bedeutende Rolle, denn man nahm zu
dieser Zeit an, dass ein großes so genanntes Südland,
das von den Geographen auch als Terra Australis
Incognita bezeichnet wurde, zur Ausbalancierung der nördlichen
Landmassen in Europa und Asien notwendig sei. Die Terra
Australis erschien auf den frühen europäischen
Weltkarten häufig als große, kugelförmige Masse, die
zufällig ungefähr die der Realität entsprechende
geographische Lage einnahm, obwohl von den Europäern
erst sehr viel später echte Entdeckungen dokumentiert
wurden.
Portugiesische
und spanische Entdeckungsreisen
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Infolge der systematischen Erforschung der afrikanischen
Westküste in südlicher Richtung, die von den
Portugiesen im 15. Jahrhundert auf der Suche nach einer
Handelsroute nach Indien vorgenommen wurde, entfachte
sich das Interesse der Europäer an der Entdeckung der
legendären Terra Australis erneut. Portugal, das schon
bald den Handel mit Indien und Ostafrika dominierte,
verlor jedoch das Interesse daran, weiter in östlicher
und südlicher Richtung vorzustoßen. Aber auch aus
anderen Gründen blieb Australien in der darauf
folgenden Zeit weiterhin unentdeckt. Zunächst einmal
befand es sich abseits des ozeanischen Handelskorridors
im Indischen Ozean und im Südpazifik. Zusätzlich dazu
driften die Windsysteme der südlichen Hemisphäre hier
in nördlicher Richtung zum westlich von Australien
liegenden Bereich des Äquators ab, während die starken
Gegenwinde östlich des australischen Festlandes das
Segeln entgegen der ausgeprägten Windsysteme
erschwerten.
Im 16. und frühen 17. Jahrhundert entsandte Spanien,
das zu dieser Zeit bereits seine Vormachtstellung als
Kolonialreich in Süd- und Zentralamerika gesichert
hatte, einige Expeditionsschiffe von Peru in den Südpazifik.
Die offiziellen Vertreter der spanisch dominierten Neuen
Welt wurden durch die Entdeckung der Salomon-Inseln nordöstlich
von Australien durch Álvaro de Mendaña 1567 dazu
ermutigt, 1595 und 1605 Expeditionen zu entsenden, von
denen sie sich erhofften, für das Spanische Reich Gold
und für die römisch-katholische Kirche die Terra
Australis zu entdecken. Nach dem Fehlschlag dieser
Entdeckungsreisen, die weder die erhofften Edelmetalle
mitbrachten noch die Entdeckung bedeutender Landmassen
zur Folge hatten, verlor Spanien sein Interesse an
derartigen Unternehmungen und führte keine weiteren
Expeditionen mehr durch.
Die wirtschaftliche Verflechtung Portugals mit Indien
und die Entmutigung der Spanier von weiteren
Forschungsunternehmungen ermöglichten den Niederlanden
als aufstrebender Macht im 17. Jahrhundert die
Errichtung einer Reihe von Handelszentren, die sich vom
Kap der Guten Hoffnung bis nach Niederländisch-Indien
(Indonesien) zogen. Die Niederländer, die ihre
Niederlassungen vorwiegend in den indonesischen Hafenstädten
Bantam und Batavia (Jakarta) hatten, ließen den europäischen
Traum von der Entdeckung Australiens schon bald zur
Wirklichkeit werden. Mit Hilfe besserer Segelschiffe
waren sie in der Lage, die widrigen Gegebenheiten im Südpazifik
erfolgreich zu überwinden. Anfang 1606 drang Willem
Janszon mit seinem Segelschiff in die Torresstraße vor,
die zwischen dem australischen Festland und Neuguinea
verläuft, und sichtete einen Teil der australischen
Nordküste an der Westseite der Kap-York-Halbinsel, den
er Kap Keer-Wear taufte. Die von ihm befahrene
Wasserstraße wurde später nach Luis Vaez de Torres
benannt, dem letzten der spanischen Forschungsreisenden,
der nur wenige Wochen später in das gleiche Gebiet
segelte und schlussfolgerte, dass Neuguinea eine Insel
sei, Australien jedoch mit fast hundertprozentiger
Sicherheit nicht sichtete.
Niederländische Generalgouverneure in Batavia fühlten
sich nach den Reisen von Janszon dazu ermutigt, weitere
Expeditionen in den südlichen Ozeanen zu veranlassen.
Im Oktober 1616 wurde die Eendracht unter dem Kommando
von Dirk Hartóg das erste Schiff, von dem aus Europäer
an der Shark Bay in Western Australia australischen
Boden betraten. Zwischen 1626 und 1627 erforschte Peter
Nuyts ungefähr 1 600 Kilometer der südaustralischen Küste,
und andere Niederländer vervollständigten das noch
bruchstückhafte Bild des neuen Kontinents durch
Informationen über die Nord- und Westküste. Die
bedeutendste Entdeckungsarbeit leistete jedoch Abel
Janszoon Tasman, der 1642 nach der Erforschung der Meere
in die Gewässer Südaustraliens segelte und die Westküste
der heute als Tasmanien bekannten Insel sichtete. Tasman
taufte diese Insel nach dem Gouverneur von Niederländisch-Indien,
der diese Expedition initiiert hatte, auf den Namen Van
Diemen's Land. Danach drang er weiter in östlicher und
nördlicher Richtung vor und entdeckte Neuseeland.
Tasman unternahm 1644 eine zweite Expedition zur Nordküste.
Trotz der rasch voranschreitenden Erforschung des
Kontinents, der von seinen ersten Entdeckern Neuholland
genannt wurde, ließen die Niederlande ihren
Neuentdeckungen keine formelle Inanspruchnahme im Namen
des eigenen Landes folgen. Ihrem Ermessen nach boten
diese Gebiete nur wenig, was für den europäischen
Handel von Interesse hätte sein können. So stand der
später folgenden Ankunft der Engländer nichts im Weg.
Britische
Expeditionen und Besitzergreifung
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Zu Beginn schien dem Interesse der britischen Regierung
an Australien das gleiche Schicksal wie bei den Spaniern
und den Niederländern bestimmt zu sein. 1688 ging der
englische Seeräuber William Dampier im Nordwesten an
Land. Nach seiner Rückkehr nach England veröffentlichte
er das Buch Voyages und überredete die Verantwortlichen
der Marine, eine erneute Fahrt finanziell zu unterstützen,
um nach den angeblichen Reichtümern des Landes zu
forschen. Die zweite Expedition von Dampier, bei der er
in den Jahren 1699 bis 1700 rund 1 600 Kilometer an der
Westküste entlangsegelte, führte zu der
detailliertesten Dokumentation dieses Kontinents in der
damaligen Zeit, schilderte jedoch das Land und seine Bevölkerung
in dermaßen trostloser Art und Weise, dass die Engländer
(ab 1707 Briten) ihr Interesse an einer weiteren
Erforschung Australiens für die folgenden 70 Jahre
verloren.
1768 verließ Kapitän James Cook mit der Unterstützung
der britischen Admiralität auf der ersten seiner
insgesamt drei Entdeckungsreisen England. Die drei Jahre
dauernde Expedition führte ihn u. a. auch nach
Australien. 1770 entdeckte Cook die Botany Bay an der
Ostküste und landete im Norden bei Possession Island,
wo er am 23. August die Gegend im Namen der britischen
Krone in Besitz nahm und auf den Namen New South Wales
taufte. Er und seine Mannschaft, zu der auch der
Botaniker Sir Joseph Banks gehörte, befürworteten später
die Besiedlung Australiens. Cooks zweite und dritte
Entdeckungsreise in den siebziger Jahren ergänzten die
bereits vorhandene Information über Australien und
festigten die britische Anspruchshaltung auf den
Kontinent.
Das Interesse Frankreichs war weniger ausgeprägt als
das von Großbritannien. Marion Dufresne konzentrierte
sich bei seiner Fahrt 1772 auf die Anfertigung von
Landkarten und die Beschreibung der unwirtlicheren Westküste
Tasmaniens, und später erkundeten französische
Seefahrer die Südküste von Australien. Zu diesem
Zeitpunkt hatten die Briten jedoch bereits die erste
australische Siedlung eingerichtet und von der östlichen
Hälfte des Kontinents Besitz ergriffen.
Trotz der anhaltenden Bemühungen der Briten wurden die
australischen Küsten erst im 19. Jahrhundert vollständig
erkundet. Matthew Flinders, ein Marineoffizier,
umrundete in der Zeit von 1801 bis 1803 erstmals den
gesamten Kontinent. Er erfasste einen Großteil der Küstenlinie
kartographisch und konnte dadurch belegen, dass es sich
bei Australien um eine einzige große Landmasse
handelte. Bereits 1798 hatte Flinders zusammen mit dem
Marinearzt George Bass erstmals Tasmanien umsegelt und
so dessen Inselform bewiesen. Flinders Bemühungen ist
es außerdem zu verdanken, dass der Kontinent nicht den
Namen Neuholland beibehielt, sondern auf seinen
Vorschlag hin in Anlehnung an Terra Australis ab 1817
offiziell als Australien bezeichnet wurde. Obwohl die Küsten
bereits weitestgehend kartographiert worden waren, besaß
man in Europa erst in den siebziger Jahren des 19.
Jahrhunderts detailliertere Informationen über die
wichtigsten geographischen Strukturen im Inland.
Das Bild Australiens in Europa war in der Regel das
eines sehr abgelegenen und für die Besiedlung durch
Europäer sehr unattraktiven Landes. Australien besaß
jedoch für Großbritannien eine strategische und nach
dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien (1783) auch
eine sozialökonomische Bedeutung. Die Herrschaft über
diesen Kontinent bedeutete, dass sich hier eine Basis für
die britische See- und Handelsmacht in den östlichen
Meeren bot und so das immer stärker werdende Interesse
Großbritanniens am Pazifik und in Ostasien ausgebaut
werden konnte. Darüber hinaus konnte der große
Kontinent auch zur Lösung des Problems der überfüllten
britischen Gefängnisse beitragen.
Nahrungsmittelknappheit, eine strenge strafrechtliche
Gesetzgebung und die sozialen Umwälzungen, die durch
die rasche Industrialisierung und Verstädterung des
Landes herbeigeführt worden waren, hatten zu einem
rapiden Anstieg der Kriminalitätsrate geführt. Die
Niederlage Großbritanniens im Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg
bedeutete außerdem, dass Inhaftierte und verurteilte
Straftäter aus heimischen Gefängnissen nicht länger
nach Amerika überführt werden konnten.
1786 kündigte die britische Regierung ihre Absicht an,
bei Botany Bay an der südöstlichen Küste von New
South Wales eine Strafkolonie zu errichten. Die
Regierung, wie immer darauf bedacht, den
wirtschaftlichen Interessen des Landes Rechnung zu
tragen und die öffentlichen Ausgaben auf ein Mindestmaß
zu beschränken, plante die Strafkolonie von Botany Bay
als selbst finanzierende Kolonie, die die anfallenden
Unkosten durch die Arbeitskraft der Sträflinge und eine
damit verbundene wirtschaftliche Entwicklung selbst
tragen sollte. Kapitän Arthur Phillip von der königlich-britischen
Marine wurde zum Kommandanten der diesem Entschluss
folgenden Expedition ernannt. Er sollte die
Inbesitznahme des gesamten australischen Kontinents
inklusive Tasmaniens und der Inseln vor der Ostküste östlich
des 135. Meridians im Namen der britischen Krone
sicherstellen und als Gouverneur und Vertreter der
britischen Monarchie absolute Verfügungsgewalt über
das gesamte Territorium erhalten.
Am 13. Mai 1787 segelte Phillip von Portsmouth aus mit
der Ersten Flotte los. Auf den insgesamt elf Schiffen
befanden sich 759 Straftäter (568 Männer und 191
Frauen), 13 Kinder der Verurteilten, 211
Marineinfanteristen und Offiziere, die für die
Bewachung der Straftäter abgestellt waren, 46 Ehefrauen
und Kinder von Mitgliedern der Schiffsbesatzung und die
Verwaltungscrew von Phillip, die sich aus neun Personen
zusammensetzte. Phillip traf am 18. Januar 1788 in
Botany Bay ein. Er erachtete Botany Bay als ungünstigen
Platz und segelte in nördlicher Richtung nach Port
Jackson, das von Cook zwar auf den Karten eingezeichnet,
aber nicht näher erkundet worden war. Phillip fand hier
einen der besten natürlichen Häfen der Welt vor. Am
26. Januar, dem Datum, an dem heute der Australien-Tag
gefeiert wird, wurde die erste dauerhafte europäische
Siedlung im weit ins Landesinnere reichenden Teil von
Port Jackson in Australien errichtet und nach dem
britischen Innenminister Lord Sydney, der für die
Kolonisierungspläne verantwortlich war, auf den Namen
Sydney getauft. Das Hoheitsgebiet von Phillip bedeckte
die Hälfte von Australien, doch standen ihm nur in
begrenztem Maß menschliche Arbeitskräfte zur Verfügung.
Nur durch die Ankunft der Zweiten Flotte 1790 konnte die
junge Kolonie vor einem vollständigen Fehlschlag und
dem raschen Untergang bewahrt werden. Die größte Sorge
von Phillip blieb bis zu seiner Abreise 1792 die
Aufrechterhaltung der Kontrolle über die kleine
Strafkolonie, um die er immer wieder ganz allein kämpfen
musste. Sein Lösungsvorschlag für diese Misere bestand
in der Schaffung einer autoritären Struktur, die über
die Anfangszeit der Kolonisierung hinweg Bestand hatte.
Phillip und andere Gouverneure der Anfangszeit der
australischen Siedlungsgeschichte sahen sich mit drei
Hauptschwierigkeiten konfrontiert, die aus der
Beschaffung von ausreichenden Nahrungsmitteln, der
Entwicklung eines internen Wirtschaftssystems und der
Erzeugung von Exportwaren als Zahlungsmittel für die
eingeführten Güter aus Großbritannien bestanden. Die
sandhaltigen Böden um Sydney waren für eine
landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet, und in den
neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts herrschte dauernde
Lebensmittelknappheit in der Kolonie. Phillip ließ in
den fruchtbareren Uferregionen des Hawkesbury, einige
wenige Kilometer nordwestlich von Sydney, Farmen
errichten. Diese häufig überfluteten Landstriche
wurden auch von den Aborigines genutzt. Durch diesen
Konflikt wurde die Feindschaft der beiden Parteien noch
weiter angeheizt, und durch die mangelnde Zusammenarbeit
mit den Aborigines konnten die Siedler bis auf Kängurus
und Fisch keinerlei andere einheimische Nahrungsquellen
erschließen. Nahrungsmittelvorräte stammten demzufolge
vor allem von der fast 1 600 Kilometer entfernten
Norfolk-Insel, die Phillip im Februar 1788 für Großbritannien
in Besitz genommen hatte. Die Insel diente denjenigen
Sträflingen als Gefängnis, die die nach 1825 in der
Kolonie herrschenden Gesetze gebrochen hatten. Nach 1856
diente die Insel den Nachfahren der Meuterer der Bounty
als Heimat, die für die Pitcairn-Insel zu zahlreich
geworden waren.
1792 wurden die Royal Marines durch das New South Wales
Corps ersetzt, das sich aus eigens in Großbritannien
rekrutierten Angehörigen zusammensetzte. Diese stiegen,
nachdem sie freies Land zugewiesen bekommen hatten,
schon bald zu den mächtigsten Farmern der Kolonie auf,
gefährdeten jedoch durch ihre wirtschaftliche
Vormachtstellung gleichzeitig die Autorität des
Gouverneurs. Darauf bedacht, ihr Eigentum und Vermögen
beständig zu vermehren, spezialisierten sich
Angehörige des Corps auf die Produktion und die
Preiskontrolle des Rums, der in der Kolonie als
Tauschware gehandelt wurde.
Kapitän John Hunter, der Nachfolger von Gouverneur
Phillip, kam 1795 in Australien an und bemühte sich
vergeblich darum, die Kontrolle über den Rumhandel zu
erlangen. Die Bemühungen von Kapitän Philip G. King,
der von 1800 bis 1806 als Gouverneur diente, blieben
gleichermaßen erfolglos. Außerdem mussten Hunter und
King sich um die Unterbringung von zusätzlichen
Neuankömmlingen kümmern. 1804 konnte King eine
Rebellion irischer Strafgefangener nur mit Hilfe des
Corps niederschlagen.
1806 wurde Gouverneur King durch Kapitän William Bligh
ersetzt, den ehemaligen Befehlshaber der Bounty. Bligh
drohte den Mitgliedern des Corps den Verlust ihres
Monopols an, was jedoch zu der so genannten
Rum-Rebellion führte, die am 26. Januar 1808 stattfand
und in deren Verlauf Offiziere des New South Wales Corps
Bligh einfach absetzten. Bligh wurde nach London
zurückberufen, wo er seine Vorgehensweise erfolgreich
darlegen und verständlich machen konnte, wurde jedoch
nicht wieder ins Gouverneursamt berufen. Die
Rum-Rebellion stellte nur einen vorübergehenden Sieg
der Mitglieder des Corps dar, das von der Regierung
Großbritanniens zurückbeordert wurde. In der
Zwischenzeit hatte John Macarthur, einer der
Rebellionsführer, die Suche der Kolonisten nach einem
für den Export geeigneten und gewinnträchtigen Produkt
erfolgreich beendet, denn 1802 hatte er britischen
Textilherstellern Proben australischer Wolle gezeigt.
Die Schafweidewirtschaft entwickelte sich aber erst nach
1810 mit der gezielten Zucht von Merinoschafen und der
Massenerzeugung der hochwertigen Wolle zu einer der
wichtigsten wirtschaftlichen Tätigkeiten.
Macquarie Blighs unmittelbarer Nachfolger hieß Lachlan
Macquarie, er war von 1809 bis 1821 als Gouverneur
Australiens im Amt. Die Zurückberufung des New South
Wales Corps in Kombination mit Verbesserungen der
Wirtschaft verlieh der Regierung ein höheres Maß an
Stabilität. Macquarie initiierte ein umfangreiches
Programm von öffentlichen Baumaßnahmen, wobei er sich
die Fachkenntnisse des Exsträflings und Architekten
Francis Howard Greenway beim Entwurf und Bau von
Kirchen, Krankenhäusern und Regierungsgebäuden in
Sydney zunutze machte. Nach dem Sieg Großbritanniens
über Napoleon 1814 wuchs die Bevölkerung der Kolonie.
Infolge der Ankunft von größeren Zahlen freier Siedler
ergaben sich mehr und mehr Ansprüche auf
landwirtschaftlich nutzbares Land, auf dem die
zunehmende Zahl von Sträflingen als Arbeiter tätig
sein konnte.
Trotzdem war diese Zeit auch von wachsenden Spannungen
innerhalb von New South Wales geprägt. Sträflinge, die
ihr Strafmaß vollständig abgesessen hatten oder
infolge guter Führung frühzeitig entlassen wurden,
wollten ebenfalls Land und damit auch eine eigene
Existenzgrundlage mit neuen Chancen. Sie wurden unter
der Bezeichnung Emanzipisten bekannt, und ihre Anführer
forderten mehr Rechte für frühere Häftlinge. Die
freien Siedler und ehemaligen Angehörigen des Corps,
die mittlerweile als Farmer tätig waren, vertraten
jedoch weiterhin die Ansicht, dass Gesetzesbrecher auch
nach der rechtmäßigen Vollendung ihrer Haftstrafe
nicht als gleichwertig behandelt werden sollten.
Anhänger dieser Gruppe wurden als Exklusivisten
bezeichnet. Macquarie tendierte ebenso wie damals Bligh
dazu, die Forderungen der Emanzipisten anzuerkennen. Er
gestand ihnen Eigentumsrechte zu und verlieh einigen
Exhäftlingen untergeordnete Amtspositionen.
Infolgedessen wurden die Gegner dieser Handhabung sowohl
dem Gouverneur als auch den Emanzipisten gegenüber
misstrauisch.
Die Regierung von Macquarie war kostenaufwendig, und der
größte Teil der daraus hervorgehenden finanziellen
Last musste vom britischen Finanzministerium getragen
werden. Die strafrechtliche Ahndung von
Gesetzesverstößen durch die Entsendung der
Verurteilten in die Überseekolonie schien die Zahl der
Straffälligen nicht zu vermindern, und viele Menschen
fragten sich, ob New South Wales wirklich die richtige
Lösung für das britische Kriminalitätsproblem sei.
Außerdem war man innerhalb der britischen Regierung
auch wegen der proemanzipistischen Politik von Macquarie
besorgt. 1819 entsandte die britische Kolonialbehörde
den Richter John Thomas Bigge nach Australien, um die
Verwaltung Macquaries näher zu untersuchen und dem
britischen Mutterland Bericht zu erstatten. Bigge
empfohl die Senkung der Ausgaben für die Kolonie,
sprach sich aber für den Fortbestand von New South
Wales als Strafkolonie aus. Darüber hinaus erkannte er
auch die zunehmende Bedeutung Australiens für das
britische Reich als neue Heimat für freie Siedler und
machte die Bezeichnung Australien für den südlichen
Kontinent populär. Die Untersuchung durch Bigge hatte
die offizielle Unterstützung der Migration von
wohlhabenderen Siedlern zur Folge, die großzügige
Landschenkungen erhielten. Darüber hinaus führte sie
auch zu einer bedeutenden Veränderung der Verfassung
von New South Wales. Infolge eines parlamentarischen
Erlasses aus dem Jahr 1823 wurde die nahezu
uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Gouverneurs
durch die Einführung eines Legislativrates aus
ernannten Mitgliedern beschränkt.
1825 wurde die einstige Inselsiedlung in Van Diemen's
Land (Tasmanien) infolge einer Exekutivanordnung der
britischen Regierung zur britischen Kolonie. In
Tasmanien war 1803 aus Furcht, Frankreich könne
Besitzansprüche auf die Insel erheben, eine
Strafkolonie errichtet worden. Schon bald danach
entstanden vergleichsweise große Niederlassungen von
freien Siedlern. Obwohl man versucht hatte, in der
gleichen Zeit auch südlich und nördlich von Sydney
Siedlungen zu errichten, u. a. auch in Newcastle (1804
gegründet), dem Vorposten der Strafkolonie, war bis zu
den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts nur in Van
Diemen's Land eine große, dauerhafte Siedlung
entstanden. Während der zwanziger Jahre ging die
Besiedlung jedoch immer rascher vonstatten. 1825 wurde
die Westgrenze des von den Briten beanspruchten
Hoheitsgebiets in westlicher Richtung bis zum 129.
Längenkreis abermals aus Angst vor einer möglichen
französischen Intervention vorverlegt, und in der
nördlichen Region um Bathurst wurde eine Siedlung
errichtet. 1827 trieb Edmund Lockyer die dauerhafte
Besiedlung von Albany in Western Australia voran, und
Großbritannien beanspruchte den gesamten australischen
Kontinent im Namen der Krone.
Die
frühe australische Gesellschaft
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Die Sträflinge wurden zu einem zentralen Thema während
der frühen Geschichte Australiens. Zum Zeitpunkt der
Abschaffung der Überführung von verurteilten
Gesetzesbrechern nach Ostaustralien 1852 waren bereits
über 150 000 Menschen nach New South Wales und
Tasmanien transportiert worden. Die Straftäter stammten
vorwiegend aus dem sozial schwachen Milieu der Städte,
und viele waren wiederholt wegen geringfügiger Vergehen
verurteilt worden. Bei vielen straffällig gewordenen
Frauen handelte es sich um Prostituierte. Die Mehrheit
der Sträflinge war nur wenig gebildet, und lediglich
etwa die Hälfte konnte lesen und schreiben. Ein
geringer Prozentsatz der Straffälligen stammte aus den
wohlhabenderen Bevölkerungsschichten und hatte Strafen
für Vergehen wie beispielsweise Urkundenfälschung
abzusitzen. Diese Sträflinge waren häufig in der Lage,
ihre Ausbildung und Fähigkeiten im Bereich der
Wirtschaft und in Regierungsbehörden unter Beweis zu
stellen. Im Allgemeinen waren die Sträflinge, da sie
keine Ausbildung besaßen und nicht an die harschen
Anforderungen des Kolonial- und Gefängnislebens
gewöhnt waren, für die Bildung eines neuen
Gesellschaftsgefüges eine überaus schwierige Gruppe
von Menschen.
Gregory Blaxland und William Charles Wentworth
erschlossen 1813 etwa 80 bis 120 Kilometer westlich von
Sydney die Route durch die Blue Mountains und leiteten
damit die nach Westen drängende Besiedlung von New
South Wales ein. Zusammen mit den nach Süden führenden
Trecks von Andrew Hamilton Hume und William Hovell
(1824) sowie von Major Thomas Mitchell (1836)
beschleunigten die Erkundungsfahrten von Blaxland und
Wentworth diesen Vorstoß, bei dem große Viehherden auf
weiter im Inland gelegene Weideflächen getrieben
wurden. Bis 1829 war ein bogenförmiger Streifen von
etwa 300 Kilometern Breite um Sydney besiedelt worden
und hatte den Namen Nineteen Counties erhalten. Die
Kolonialregierung zeigte sich jedoch angesichts der
raschen Verteilung der Viehzüchter besorgt, die als
Squatters (Schafzüchter) bezeichnet wurden, da sie
lieber Lizenzen zum "Besetzen" des
gewünschten Landes erwarben, als es zu kaufen. Aus
Angst, die Kontrolle über die Siedlungsfläche zu
verlieren, riet die Regierung von der Besiedlung
jenseits der Nineteen Counties ab. Diese Versuche
schlugen jedoch fehl, u. a. aufgrund des steigenden
Bedarfs an Wolle der britischen Textilspinnereien.
Wie auch England bekannten sich die australischen
Kolonien offiziell zur anglikanischen Kirche. Die
Behörden vernachlässigten jedoch die Bildung in
religiösen Belangen, und der Großteil der Bevölkerung
bekannte sich ohnehin nicht zum anglikanischen Glauben.
Der römisch-katholische Glaube der irischen Sträflinge
und der Methodismus wetteiferten mit der offiziellen
Konfession, aber im Großen und Ganzen tendierten die
Siedler von New South Wales zu einer gleichgültigen
Haltung gegenüber Glaubensfragen.
Ebenso vernachlässigte die Kolonialregierung das
Bildungswesen. Es gab nur wenige Schulen, die vorwiegend
für Waisenkinder eingerichtet worden waren. Wohlhabende
Kolonialsiedler stellten Privatlehrer für die
Ausbildung ihrer Kinder ein. In der Kolonie entwickelte
sich jedoch ein lebhaftes Pressewesen, das 1803 mit der
erstmaligen Veröffentlichung der Sydney Gazette und des
New South Wales Advertiser entstand. George Howe, der
Herausgeber der Gazette, veröffentlichte auch die
ersten Bücher in Sydney, darunter einen Gedichtband
(1819) von Judge Barron Field. Zu einem früheren
Zeitpunkt hatte David Collins, der mit Gouverneur
Phillip befreundet war, unter dem Titel An Account of
the English Colony in New South Wales (2 Bde.,
1798-1802) das erste Geschichtswerk über Australien in
London veröffentlicht. Wentworth, der in der Kolonie
geboren worden war, hatte zwischenzeitlich die
Überquerung der Blue Mountains in seinem Werk
Description of New South Wales (1817 veröffentlicht)
dokumentiert und unter dem Titel Australasia 1823 ein
Versbuch veröffentlicht. Im darauf folgenden Jahr
gründete er The Australian, eine Zeitung, die ganz klar
Stellung zugunsten der Emanzipisten bezog.
Zwischen den späten zwanziger und den achtziger Jahren
des 19. Jahrhunderts erfuhr Australien starke
Umwälzungen, die die Grundlage für die heutige
Gesellschaft schufen. Dazu gehörte auch die Bildung von
vier der insgesamt sechs Kolonien, die zwischen 1829 und
1859 entstanden, und die zu einem späteren Zeitpunkt zu
den australischen Bundesstaaten wurden, ferner das
weitere Vordringen von Schaf- und Rinderzüchtern ins
Landesinnere und die Entdeckung von Gold und anderen
wertvollen Mineralen.
Die ersten europäischen Forscher, die das australische
Binnenland erkundeten, spielten eine bedeutende Rolle
für die frühe wirtschaftliche Entwicklung Australiens
und hatten eine noch bedeutendere Funktion bei der
Bildung des australischen Nationalbewusstseins, denn es
waren viel mehr ihre Entdeckungen, die letztendlich die
Vorstellungskraft der Australier fesselten, und nicht
die der Segler, die die Küstenlinie des Kontinents
kartographierten und ihre Entdeckungen der übrigen Welt
mitteilten. Im Lauf der Entwicklung entstand ein
umfassendes Erbe von Mythen und Legenden, das
aufeinander folgende Generationen australischer Dichter,
Maler und Autoren immer wieder angeregt hat.
Die Pionierarbeit, die Blaxland und Wentworth durch das
Überschreiten der Blue Mountains geleistet hatten,
wurde durch George William Evans fortgesetzt, der ihre
Route nach Bathurst (1815 gegründet) nachzeichnete. In
den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts fertigte John
Oxley weitere Zeichnungen der inneraustralischen Ebenen
und Flüsse, besonders des Lachlan und Macquarie, an. Er
erforschte auch die Südküste des heutigen
Bundesstaates Queensland, der 1827 erstmals von Alan
Cunningham bei einer europäischen Forschungsreise ins
Landesinnere genauer erkundet wurde. Der vermutlich
bekannteste Teilnehmer dieser Gruppe von Forschern war
Kapitän Charles Sturt, der zwischen 1829 und 1839 die
Hauptzuflüsse des Murray-Darling-Beckens ausfindig
machte, das heute das landwirtschaftliche Herzstück
Australiens bildet. Sir Thomas Livingstone Mitchell
bestätigte die Erkenntnisse von Sturt und erschloss
1836 die Route von New South Wales zum fruchtbaren Land
im westlichen Teil von Victoria.
Das Hinterland der Küste von Western Australia wurde
von Sir George Grey (1837-1840) und Edward John Eyre
kartographisch erfasst. Weder Eyre, der 1840 auf dem
Landweg von Adelaide erfolgreich nach Albany reiste,
noch Sturt gelang es, von Adelaide bis zum Zentrum des
Kontinents vorzudringen. Erst John McDouall Stuart
konnte 1860 ganz ins Landesinnere vorstoßen und
schließlich vom mittleren Bereich des australischen
Kontinents 1862 in nördlicher Richtung auf dem Landweg
Darwin erreichen. Der berühmteste aller eingewanderten
Erforscher des zentralen und nordöstlichen Teiles von
Australien war Ludwig Leichhardt, unter dessen Führung
zwei erfolgreiche Expeditionen (1844 und 1846/47,
ausgehend von Sydney) stattfanden, bevor er unter
mysteriösen Umständen bei dem Versuch, die Darling
Downs nach Perth zu überqueren, verschwand. Robert
O'Hara Burke und William John Wills verloren bei dem
Versuch, von ihrer fehlgeplanten Expedition (1860/61)
von Melbourne an den Carpentariagolf zurückzukehren,
ihr Leben. Aus der Zeit der Erkundung Western Australias
in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts gingen auch
mehrere heldenhafte australische Forscher hervor, zu
denen John Forrest und Ernest Giles zählen.
1827 erforschte der später geadelte Kapitän James
Frazier Stirling den Fluss Swan an der Westküste. Er
kehrte zwei Jahre später in Begleitung einer Gruppe
britischer Investoren als Gouverneur der Kolonie Western
Australia zurück. 1850 ersuchte die Kolonie um die
Abstellung von Sträflingen, um die zur Verfügung
stehende Arbeitskraft zu erhöhen, und erhielt zu diesem
Zweck etwa 10 000 Sträflinge, die noch vor der
Abschaffung dieser Entsendungsregelung 1868 in Western
Australia eintrafen. Western Australia erlebte jedoch
erst eine Verbesserung seiner Situation, als in den
neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der Kolonie
Goldvorkommen entdeckt wurden.
South Australia wurde mit seiner Hauptstadt Adelaide im
Juli 1837 gegründet. Die Vorschläge zur Errichtung
dieser Kolonie waren von dem englischen Sozialreformer
Edward Gibbon Wakefield angeregt worden und wurden von
der britischen, liberal gesinnten Schicht der
Intellektuellen und religiösen Splittergruppen
befürwortet. Wakefield hatte es sich zum Ziel gesetzt,
neue Kolonien zu schaffen, die das britische
sozialökonomische und kulturelle Wertgefüge
widerspiegeln sollten. Durch den Verkauf von Land, der
nunmehr die bis zu dieser Zeit gängige unentgeltliche
Vergabe von Grund und Boden ablösen sollte, glaubte
Wakefield, die Kolonialsiedler dazu bringen zu können,
den Wert ihres Landes durch die bestmögliche
landwirtschaftliche Nutzung zu optimieren. Die aus dem
Verkauf hervorgehenden Einnahmen sollten zur Förderung
der Einwanderung von Arbeitern eingesetzt werden, die
durch das Arbeiten für Kolonialfarmer ihrerseits ihren
Teil zur Entwicklung der Kolonie beitragen sollten,
bevor sie selbst zu Landbesitzern würden. Durch die
Regelung der Preise meinte Wakefield die
Kolonialexpansion steuern zu können.
Die australischen Böden waren gemeinsam mit den
niedrigen Niederschlägen und den immer wiederkehrenden
Dürreperioden jedoch besser für die Weidewirtschaft in
großem Rahmen als für die Bewirtschaftung des Landes
geeignet. Die erfolgreichste und dramatischste
Umwälzung in Australien erfolgte in den dreißiger und
vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als Schafzüchter
(so genannte "Squatters") riesige Schafherden
über das Land trieben. Da sich die Kosten für eine
Lizenz zur Landpacht jährlich auf nur zehn Pfund
Sterling beliefen, konnten sie sich praktisch so viel
Land leisten, wie sie wollten.
Die Zunahme und Ausweitung der Schafweidewirtschaft
führte nach der Mitte der dreißiger Jahre zur
Kolonialisierung des Distrikts Port Phillip im Süden
von New South Wales. Die ersten Siedlungen von Melbourne
entstanden 1835, und die Stadt erlebte unmittelbar nach
ihrer Gründung einen rasanten Aufschwung. Während der
vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts forderten immer
mehr Siedler die Loslösung von New South Wales, die
schließlich auch 1851 gewährt wurde. So wurde aus dem
Distrikt Port Phillip die Kolonie Victoria mit der
Hauptstadt Melbourne. Im Distrikt Moreton Bay im Norden
ging die Kolonialisierung langsamer vonstatten, jedoch
zeichneten die Viehzüchter schrittweise die Umrisse von
Queensland vor, die mit ihrer Hauptstadt Brisbane zur
sechsten australischen Kolonie wurde. Queensland löste
sich 1859 von New South Wales.
Zwischen 1830 und 1850 stieg der Gesamtwert der für den
Export bestimmten Wolle von zwei Millionen Pfund
Sterling auf 41 Millionen Pfund Sterling. Mit der
steigenden Immigrantenzahl und dem Wachstum der
Hauptstädte, von denen jede für ihre jeweilige Region
als bedeutendster Hafen diente, begannen die
australischen Kolonien, ein höheres Maß an Kontrolle
über ihre Regierungssysteme zu fordern.
Entstehung politischer Institutionen
Die Übertragung einer größeren Autonomie auf die
australischen Kolonien wurde durch die Einführung des
freien Handels mit Großbritannien gefördert, die in
den späten vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts
erfolgte. Freier Handel bedeutete, dass Großbritannien
beim preisgünstigsten Anbieter kaufen und an den
profitträchtigsten Abnehmer verkaufen würde. De facto
wurde damit die Existenzberechtigung der Kolonien
zumindest im Prinzip zerstört. Daher erhielten 1850 die
östlichen Kolonien ohne die Notwendigkeit, eine
geschlossene Front bilden zu müssen, neue Verfassungen,
die ihnen die verantwortungsbewusste politische
Selbstbestimmung und Eigenverwaltung zugestanden.
Victoria, South Australia und Van Diemen?s Land (das
seinen Namen 1854 in Tasmanien änderte) erhielten
Legislativräte, deren Mitglieder zu zwei Dritteln aus
Wahlen hervorgehen mussten. In New South Wales war diese
Regelung bereits 1842 eingeführt worden.
Mitte der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts
strukturierte jede der ostaustralischen Kolonien ihr
Regierungssystem neu und übernahm ab sofort auch die
Regelung sämtlicher Vorgänge, die mit Grund und Boden
zu tun hatten. Das System der unentgeltlichen
Landschenkungen war in Australien bereits 1831 beendet
und durch den regulären Verkauf von Boden ersetzt
worden. Die aus der Umstrukturierung der Regierungen
hervorgegangenen Systeme verliehen einem Kabinett oder
Ministerrat Amtsgewalt. Sie mussten sich gegenüber dem
Unterhaus des Zweikammerparlaments verantworten. Die
Mitglieder des Unterhauses wurden durch Wahlen
ermittelt. Die neuen Verfassungen spiegelten das
Interesse der rasch wachsenden städtischen Bevölkerung
wider, die die politische Macht der Viehzüchter
einschränken wollte. Letzteren gelang es jedoch in den
fünfziger und sechziger Jahren, ihren Landbesitz weiter
abzusichern.
Der Goldrausch und seine Auswirkungen
Der Goldrausch, der in den fünfziger Jahren des 19.
Jahrhunderts einsetzte, beschleunigte die Entwicklung
der jungen sozialen und politischen Strukturen. Im April
1851 entdeckte Edward Hargraves am Summer Hill Creek im
mittleren Osten von New South Wales Gold. Mit der
Erinnerung an den Goldrausch in Kalifornien im
Hinterkopf strömten zahllose Menschen sehr schnell vor
allem nach Mount Alexander, Ballarat und Bendigo in
Victoria. Später stieß man auch an anderen Orten in
New South Wales und Queensland auf Gold.
In den folgenden zehn Jahren exportierte Australien
allein Gold im Wert von über 124 Millionen Pfund
Sterling. Bis 1861 war die Zahl der Siedler in
Australien von ursprünglich 400 000 im Jahr 1850 um das
Dreifache auf nahezu 1,2 Millionen Menschen angestiegen.
Briten, Amerikaner und Kanadier schlossen sich den
Immigranten der östlichen Kolonien an. In Victoria
waren die Goldschürfer schon sehr bald mit hohen Kosten
für Schürflizenzen und Einschränkungen ihrer Rechte
bei der Goldsuche konfrontiert.
Sowohl die Goldschürfer als auch die Kolonialsiedler
reagierten besorgt auf den starken Zustrom von
chinesischen Einwanderern, die ebenfalls durch die
Goldfunde angelockt wurden. 1856 erließ Victoria eine
Einwanderungsbeschränkung für Chinesen. Schließlich
entstand aus dem Einwanderungsverbot, das für alle
nichteuropäischen Siedler galt, die so genannte
"White Australia Policy", eine scharf
kontrollierte Einwanderungspolitik, die immer dann
durchgreifend eingesetzt wurde, wenn die Arbeitsplätze
oder die Kultur der weißen australischen Bevölkerung
bedroht schienen.
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts begannen
die Erträge der Goldvorkommen zu sinken. Obwohl die
Kolonien weiterhin durch den Export der hochwertigen
Wolle wohlhabend blieben, konzentrierten sich die
Debatten in den Kolonien sehr bald auf die Frage nach
der Rolle der Regierung in der Wirtschaft. Insbesondere
wurde der Bau der Eisenbahn infolge der hohen
anfallenden Kosten und der Abwesenheit inländischer
Marktzentren der Verantwortlichkeit der Regierung
übergeben. Zwischen 1875 und 1891 verlängerte sich das
Streckennetz der Eisenbahn von 2 575 Kilometern auf
über 16 100 Kilometer. Im Jahr 1866 belegte der Staat
Victoria, gefolgt von South Australia und Tasmanien,
Importwaren mit hohen Einfuhrzöllen, um die eigene
kleine Industrie und den einheimischen Markt zu
schützen. New South Wales und zu einem geringeren Maß
auch Queensland behielten weiterhin ihre
uneingeschränkte Freihandelspolitik bei.
In den siebziger und achtziger Jahren des 19.
Jahrhunderts kam es über der Frage, ob man den freien
Handel oder Handelsbeschränkungen zum Schutz der
eigenen Wirtschaft befürworten solle, im Pressewesen,
bei den Parteien und auch den Kolonien zu einer
Spaltung. Diese Konfliktsituation untergrub zusammen mit
einem fortwährenden, auf Eifersucht basierenden Streit
zwischen den Kolonien bis zu den neunziger Jahren alle
bedeutenden Ansätze zur Zusammenarbeit und möglichen
Unionsbildung der sechs Kolonien.
Die Errichtung der Siedlung von Phillip im Jahr 1788
kennzeichnete den Beginn eines regelmäßigen Kontakts
zwischen Europäern und Aborigines. Zwar nutzten viele
Aborigines das Land in der Umgebung von Sydney als
Lagerstätten und Jagdrevier, aber tatsächlich kam es
in der ersten Dekade der Besiedlung durch Weiße nur zu
einigen wenigen bedeutenden Konfrontationen zwischen den
Kolonialsiedlern und der einheimischen Bevölkerung. Mit
der Besiedlung von Van Diemen's Land begann jedoch die
großflächige Zerstörung von Gemeinschaften der
australischen Ureinwohner. Die ursprünglich 5 000
australischen Ureinwohner der Insel wurden trotz der
offiziellen britischen Schutzpolitik und infolge ihrer
Machtlosigkeit gegenüber den Waffen der Siedler sehr
schnell auf eine sehr geringe Zahl reduziert. Auf dem
australischen Festland drängten die Viehzüchter auf
der Suche nach geeignetem Weideland für ihre
Schafherden die einzelnen Gruppen von Aborigines immer
weiter ins trockenere Hinterland ab.
Im Prinzip forderte die offizielle Kolonialpolitik im
19. Jahrhundert, dass Aborigines als Gleichgestellte zu
behandeln seien. Dies geschah jedoch nur mit dem
Hintergedanken, sie später zum Christentum zu bekehren
und in die europäische Zivilisation einzugliedern.
Gouverneur Macquarie ließ eine Schule für die Kinder
australischer Ureinwohner errichten, aber solche
Schritte, die in der Realität kaum Unterstützung
erhielten und niemals ausreichend finanziell gefördert
wurden, waren die Ausnahme. In der Realität war das
Umschwenken von einer Politik der Inschutznahme zu einer
Politik der Bestrafung für die frühe Kolonialregierung
charakteristisch. Die gegensätzlichen Kulturen
kollidierten besonders unerbittlich an der
Siedlungsgrenze, die die Viehzüchter auf der Suche nach
neuem Weideland in den dreißiger und vierziger Jahren
des Jahrhunderts immer weiter landeinwärts
vorantrieben. Einige Aborigines arbeiteten in
Schafzuchtbetrieben, andere wurden als Polizeiwachen
eingesetzt, aber die Gesamteinstellung der Bevölkerung
gegenüber dieser ethnischen Gruppe wird durch die
Tatsache verdeutlicht, dass sie häufig von Siedlern
brutal gejagt und vergiftet wurden. Frauen wurden
entführt und vergewaltigt, während Kinder von ihren
Eltern getrennt wurden. Zwar gab es Ausnahmen, aber die
australischen Kolonialsiedler nahmen im 19. Jahrhundert
im Allgemeinen an, dass die Kultur der Aborigines
aussterben würde. Die bewusste Zerstörung und
Verleugnung der Kultur der australischen Ureinwohner auf
regionaler und Kolonialebene wurde häufig von einer
Politik der Rassentrennung begleitet, wodurch die
uraustralische Bevölkerung in Reservaten
zusammengepfercht und vom normalen Leben in der Kolonie
ausgeschlossen wurde.
Da dieser Bevölkerungsgruppe immer weniger
Nahrungsmittel zur Verfügung standen, sank ihre Zahl
stetig. Im 20. Jahrhundert gab es nur noch im Northern
Territory, in Queensland und in New South Wales Gruppen
von Aborigines. Erst in den fünfziger Jahren dieses
Jahrhunderts näherte sich die uraustralische
Bevölkerung ganz langsam ihrer ursprünglichen Größe
zur Zeit vor der Besiedlung Australiens durch Weiße an,
und die Regierung begann, die frühere Behandlung dieser
Minderheit aufzuarbeiten und zu berichtigen.
Gesellschaft
und Kultur im 19. Jahrhundert
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Der rapide Anstieg der australischen Bevölkerung
zwischen 1830 und 1860 trug stark zum Wachstum der sechs
Hauptstädte der Kolonien bei. Mit dem Rückgang der
Goldfördermengen in Victoria und New South Wales, der
in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts einsetzte,
wanderten sogar die Goldsucher in die Städte ab. Gegen
Ende des 19. Jahrhunderts gehörten Sydney und Melbourne
zu den größten Städten der Welt, obwohl Australiens
Gesamtbevölkerung zu diesem Zeitpunkt immer noch
vergleichsweise klein war.
Jede Kolonialhauptstadt diente ihrer jeweiligen Kolonie
als Haupthafen. Im Rahmen einer allgemeinen Rivalität
neigte jede Stadt und Kolonie dazu, ihre eigene
besondere Identität im Kontrast zum Rest Australiens zu
betonen. Die Kontakte zwischen den einzelnen Kolonien
nahmen nach ihrer Bindung mit Großbritannien lediglich
eine zweitrangige Bedeutung ein. Die Kolonien
rivalisierten gegeneinander, so dass beispielsweise
Victoria und New South Wales für ihre
Eisenbahnverbindungen jeweils unterschiedliche
Spurweiten benutzten. Erst ab etwa 1960 erfolgte eine
Standardisierung der Spurweiten.
Alle Kolonien besaßen jedoch eine gemeinsame Kultur,
die stark von den jeweiligen Hauptstädten beeinflusst
war. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts
forderten die Händler und Geschäftsleute politische
Reformen und die Ausarbeitung neuer Verfassungen. Kleine
verarbeitende Betriebe in den Städten und die große
Anzahl von Gewerkschaftsmitgliedern unterstützten in
der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Bildung von
Kabinettsregierungen und die Ratifizierung von
Gesetzeserlassen, die für die städtische Bevölkerung
vorteilhaft waren. Die Arbeiter in Victoria setzten
erstmals 1856 den Achtstundentag durch. Nach dem Vorbild
von New South Wales bemühten sich die politischen
Systeme der Kolonien darum, die Viehgroßzüchter,
Großgrundbesitzer und andere ebenso wohlhabende wie
einflussreiche Familien daran zu hindern, zu starken
Einfluss auf das Leben in den Kolonien auszuüben.
Trotzdem schufen die Einkünfte durch die Erzeugung von
Wolle und die immer neuen Entdeckungen mineralischer
Vorkommen die wirtschaftliche Basis, auf der dieser
Lebensstil beruhte.
Sydney und Melbourne, die während der Mitte des 19.
Jahrhunderts ein beträchtliches Maß wirtschaftlichen
Wohlstands aufwiesen, waren im Bereich kultureller
Aktivitäten richtungweisend. Jede der beiden Städte
gründete eine Universität und veranlasste den Bau von
Museen und Kunstgalerien. Wohlhabende Familien ließen
große Villen errichten.
Trotz der großen Loyalität gegenüber Großbritannien
begannen die Kolonialsiedler schon bald, das Bild der
einsamen Schafscherer, Farmhelfer und Bergarbeiter an
der australischen Siedlungsgrenze zu idealisieren.
Daraus entstand die Vorstellung der Einzelperson, die
nicht nur gegen die Autorität kämpft, sondern auch
gegen die widrigen Bedingungen ihrer Umwelt. Bereits in
den achtziger und neunziger Jahren stellten
Volkserzählungen und Balladen einen wichtigen
Bestandteil der australischen Volkskultur dar. Die
eigentümliche, melodische Aussprache der Australier
hatte sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt
herauskristallisiert und die Sprache der Siedler in eine
eigene Variante der englischen Sprache verwandelt.
Zwar blieben auch weiterhin britische Autoren sehr viel
beliebter als australische, aber die Errungenschaften
der Kolonien im Bereich der Kunst hielten mit der
zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung
der sechs Kolonien Schritt. Das Werk The Recollections
of Geoffry Hamlyn (1859) von Henry Kingsley galt zu
seiner Zeit als der erste australische Roman. Catherine
Helen Spence, die Verfasserin von Clara Morison (1854),
schuf ebenso wie Marcus Clarke, Autor von For the Term
of His Natural Life (1874), einen eigenständigen, von
der britischen Tradition losgelösten Roman, der Themen
der Kolonien aufgriff (siehe australische Literatur).
Australien übte besonders auf die Wissenschaftler des
19. Jahrhunderts eine große Anziehungskraft aus.
Botaniker wie Ferdinand von Mueller, der gegen Ende des
Jahrhunderts in den Botanischen Gärten in Melbourne
tätig war, fanden ebenso wie zahllose Zoologen,
Anthropologen und Geologen eine Fülle von
Forschungsmaterial.
Politische
Entwicklung zur Föderation
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Der föderative Zusammenschluss der australischen
Kolonien erfolgte erst relativ spät und ging ohne die
nationalistischen Ausbrüche vonstatten, die
vergleichbare Entwicklungen in anderen Ländern
begleitet hatten. Der Gedanke eines gemeinsamen
Zusammenschlusses war bereits 1847 in Vorschlägen von
Earl Grey aufgetaucht, der damals das Amt des britischen
Ministers für Kolonialangelegenheiten innehatte. In den
fünfziger Jahren rief John Dunmore Lang, ein
Geistlicher der schottischen presbyterianischen Kirche,
die Australische Liga (Australian League) ins Leben, die
politische Feldzüge für die Vereinigung Australiens
durchführen sollte. Bei Konferenzen erörterten die
Regierungsvertreter der Kolonien in den sechziger Jahren
ebenfalls eine engere Zusammenarbeit und den
Zusammenschluss. Mit der Bildung des kanadischen
Dominions 1867 erwarteten die britischen Amtsträger
ähnliche Anstrengungen seitens der Australier. Jedoch
erregte infolge der ausgeprägten Rivalität unter den
einzelnen Kolonien kein Vorschlag dauerhaft
Aufmerksamkeit.
Die Furcht der Australier vor einer Invasion durch
Europäer und Asiaten aus nördlicher Richtung gab den
Ausschlag für den ersten Schritt in Richtung
Zusammenschluss, der in den achtziger Jahren unternommen
wurde. 1883 erhob Queensland, das deutschen Ansprüchen
vorgreifen wollte, den Besitzanspruch auf Papua in
Neuguinea, konnte jedoch seine Forderungen nicht
nachhaltig durchsetzen. Queensland musste das Gebiet der
britischen Hoheit überlassen und beanspruchte
demzufolge andere Inseln. Die australischen Kolonien,
die um die Verbesserung ihres Verteidigungssystems
bemüht und darum besorgt waren, ob sie wohl in der Lage
seien, die britische Politik in ihrem Interesse zu
lenken, gründeten 1885 u. a. auch angesichts der
Entstehung von neuen Mächten in Europa den
australischen Bundesrat. Da sich aber New South Wales
der Beteiligung verweigerte, blieb der Rat lediglich ein
Diskussionsforum ohne wirkliche Exekutivgewalt.
Andere Entwicklungen in den achtziger Jahren vertieften
jedoch die Vorstellung einer Vereinigung innerhalb
weiter Teile der Bevölkerung. Die Debatten über die
Thematik der kontrollierten Einwanderungspolitik
bewiesen, dass einheitliche Einwanderungsregelungen
erforderlich waren. Die Zunahme der gewerkschaftlich
organisierten Arbeitnehmer, die besonders bei den
Schafscherern und Bergarbeitern drastische Ausmaße
erreichte, förderte die Entwicklung von zentral
geleiteten Gewerkschaften, deren Macht und Einfluss
über die jeweiligen Grenzen der Kolonien hinausreichte.
Infolge von ungewissen wirtschaftlichen Verhältnissen
und einer regelrechten Wirtschaftsdepression, die 1892
einsetzte, verfestigte sich der Gedanke an einen
nationalen Zusammenschluss. Diese Lage trug auch zur
Bildung der Labor Party in den Kolonien bei, die die
Interessen der Arbeiter vertrat. Die Anhänger dieser
Partei, die schon bald gute Wahlergebnisse erzielen
konnte, erkannten sehr schnell, dass die einheitliche
Regelung arbeitsrechtlicher Gesetze nur durch einen
Zusammenschluss möglich sei.
New South Wales hatte bereits 1889 mit der Ablösung des
Bundesrates begonnen, als der Premier der Kolonie, Sir
Henry Parkes, ankündigte, dass die Kolonie eine neue
Art von Föderalismus unterstützen werde. Auf einer
Konferenz, die 1891 in Sydney stattfand, wurde die
Grundlage für eine verfassunggebende Zusammenkunft
gelegt, die jedoch nicht vor den Jahren 1897 bis 1898
erfolgte. Es folgten weitere Diskussionen, die
schließlich durch positive Volksentscheide in allen
sechs Kolonien beendet wurden, bei denen sich die
Bevölkerung für das Vorhaben aussprach. Der
Australische Bund wurde 1900 vom britischen Parlament
bestätigt und trat am 1. Januar 1901 offiziell in
Kraft.
Die Verfassung des Bundes spiegelte sowohl britische
Traditionen als auch amerikanische Elemente wider. Es
wurde zwar eine parlamentarische Regierung gegründet,
die sich vor einem Zweikammerparlament zu verantworten
hatte, aber die Bundesregierung erhielt nur speziell
erlassene Machtbefugnisse. Das neue Repräsentantenhaus
war wie das britische Unterhaus auf der Grundlage der
Volksvertretung entstanden, während der neue Senat wie
sein amerikanisches Ebenbild die Vertretung der
Bundesstaaten sicherstellte. Da zur Stärkung des
Föderalismus weder Sydney noch Melbourne als Hauptstadt
des Australischen Bundes denkbar waren, wurde 1911 das
Australian Capital Territory geschaffen, in dem die neue
Hauptstadt, Canberra, nach dem amerikanischen Vorbild
von Washington D.C. entstehen sollte.
Eine zentrale Rolle in der Geschichte Australiens im 20.
Jahrhundert spielte die Entwicklung einer nationalen
Regierung und einer Nationalkultur. Die Regierungen des
Australischen Bundes (Commonwealth of Australia), die
von Föderationsspezialisten wie Alfred Deakin geleitet
wurden, führten schon bald Schutzzölle für
Importwaren ein, um die Entwicklung der einheimischen
Wirtschaft und Industrien voranzutreiben. Sie
erarbeiteten Vorschläge zur geregelten Einführung von
Mindestlöhnen in der Industrie und erhielten die
strikten Auflagen der kontrollierten
Einwanderungspolitik aufrecht. Trotzdem behielten die
Australier ihre jeweilige mit der Kolonie verflochtene
Identität bei, und die auf nationaler Ebene tätigen
Parteien definierten sich durch lockere politische
Konzepte.
Der 1. Weltkrieg löste viel mehr als die Föderation
selbst den Wandel von einem Zusammenschluss von sechs
ehemaligen Kolonien unter der Bezeichnung Australien zu
einem vereinigten Land mit einer eigenen, neuen
Identität aus. Als Reaktion auf die
Rekrutierungsgesuche der Alliierten entsendete
Australien über 330 000 Freiwillige, die teilweise an
den blutigsten Schlachten teilnahmen. Über 60 000
australische Soldaten starben, 165 000 wurden verwundet.
Damit lag die Zahl der Opfer über der anderer am Krieg
beteiligter Länder, und Australien wurde sich zunehmend
seiner Beteiligung an den Kriegsanstrengungen bewusst.
Bei Gallipoli führten die ANZAC-Truppen (Australian and
New Zealand Army Corps) vergeblich einen Angriff durch,
um die türkischen Streitkräfte in die Dardanellen
zurückzudrängen. Das Datum der schicksalsträchtigen
Landung am 25. April 1915 wurde als Parallele zur
politischen Reife Australiens verstanden und wird bis
heute als ANZAC-Tag als einer der bedeutendsten
öffentlichen Ehrungstage des Landes gefeiert.
1915 wurde William Morris Hughes, der im Volksmund
eigentlich nur als Billy bezeichnet wurde, zum
Premierminister und Vorsitzenden der Labor Party
gewählt. Als Vertreter Australiens bei Beratungen in
London personifizierte Hughes die energiegeladene
Mentalität der Australier. Als es ihm nicht gelang, die
Wählerschaft in zwei Aufrufen zur Ergänzung der
Einberufenen durch Freiwillige zu bewegen, erklärte ihm
die Parlamentspartei das Misstrauen. Hughes blieb jedoch
weiterhin im Amt. Er nahm 1919 an der Pariser
Friedenskonferenz teil und erwarb Deutsch-Neuguinea als
Mandatsterritorium, wodurch Australien das Recht zum
Beitritt zum Völkerbund erhielt. Die Machtbefugnisse,
die der Regierung des Bundes durch die Verfassung
zugestanden wurden, reichten aus, um eine starke
Zentralregierung zu errichten.
Eine interne Gegenreaktion innerhalb der Nationalist
Party, die von Hughes gegründet worden war, zwang ihn
1923 zum Rücktritt. Stanley Melbourne Bruce, der
politische Führer des konservativen Flügels und
Anführer der Revolte, wurde zum neuen australischen
Premierminister gewählt. Die Country Party, die 1919
als patriotisch-konservative Bewegung zum Schutz der
Interessen von Farmern und Viehzüchtern ins Leben
gerufen worden war, schloss sich einer Koalition der
Nationalisten an, behielt jedoch weiterhin ihr eigenes
Profil bei. Der Hauptgegner dieses politischen
Bündnisses war die Labor Party, die ihre Sozialpolitik
neu definieren musste. Um das Produktions- und
Expansionsniveau zur Zeit des 1. Weltkrieges
aufrechtzuerhalten, bemühte sich die Regierung um die
Bildung und Förderung wichtiger Grundindustrien, aber
die Wirtschaftsdepression der dreißiger Jahre bewirkte
tief greifende Einschnitte in das australische
Wirtschaftsgleichgewicht und führte in einer Zeit, die
durch hohe Arbeitslosenquoten geprägt war, zu einer
immer stärkeren Staats- und Privatverschuldung.
Die Genesung des Landes von der Wirtschaftskrise, die in
den Jahren 1929 bis 1931 von James H. Scullin und der
Labor Party eingeleitet und vorangetrieben wurde, ging
sehr unausgewogen vonstatten. Die Uneinigkeit über die
Regierungspolitik führte zu erneuten Absplitterungen
innerhalb der Partei. Die Regierung löste sich 1931
auf, und bis zum Ende der dreißiger Jahre übernahm die
United Australia Party, die sich aus ehemaligen
Parteimitgliedern der National Party und der Labor Party
konstituierte, unter dem Vorsitz von Joseph A. Lyons die
Regierungsmacht.
Seit der erstmaligen Übernahme der Eigenverantwortung
für die Außenpolitik hatte sich Australien von seinen
kulturellen und politischen Bindungen zu Großbritannien
leiten lassen. Dementsprechend richteten sich die
Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Krise
nach dem britischen Vorbild. Zu den wichtigsten
Maßnahmen gehörte der Versuch, den Handel zwischen dem
britischen Mutterland und den britischen
Herrschaftsgebieten und Dominions neu anzukurbeln.
Bereits in den zwanziger Jahren gehörten jedoch auch
schon Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika zu
den Hauptimporteuren australischer Wolle. Entgegen
seinen Eigeninteressen bemühte sich Australien zum Teil
auf Kosten seiner Handelsbeziehungen zu Japan um die
Wiederherstellung der britischen Handelsbeziehungen. Im
Völkerbund und innerhalb des britischen Commonwealth
neigte die australische Regierung auch zur
Unterstützung der Beschwichtigungspolitik und anderer
politischer Leitlinien, die einen Versuch, Krieg mit den
faschistischen Mächten zu verhindern, darstellten.
Als 1939 in Europa erneut Krieg ausbrach, entsandte
Australien seine Streitkräfte zur Unterstützung der
britischen Verteidigungsmacht. Nach dem Ausbruch des
Pazifikkrieges zwischen Japan und den USA 1941 und
nachdem Großbritannien nicht in der Lage war, die
Verteidigung Australiens ausreichend zu unterstützen,
ging Australiens neue Labor-Regierung unter der Führung
von John Joseph Curtin ein militärisches Bündnis mit
den Vereinigten Staaten von Amerika ein. Bis zur
Befreiung der Philippinen diente Australien dem
US-amerikanischen General Douglas MacArthur und seiner
Mannschaft als militärische Einsatzbasis. Die Zahl der
Kriegsopfer erreichte zwar nicht das Ausmaß des 1.
Weltkrieges, aber die Australier waren infolge der
Furcht vor einer drohenden japanischen Invasion
psychologisch viel stärker von den Kriegshandlungen
betroffen. Die australische Industrie wurde erneut durch
die Anforderungen des Kriegszustands umgestellt. Die
Wirtschaft schwenkte schwerpunktmäßig wieder in die
Richtung der verarbeitenden Industrie um, und die
Hauptstädte der australischen Bundesstaaten waren von
einem Gürtel der Schwerindustrie umgeben. Die
Nachkriegsentwicklung baute auf den Grundlagen auf, die
der Krieg geschaffen hatte.
Curtin starb 1945. Die neue Labor-Regierung unter Joseph
Benedict Chifley bestärkte die
australisch-amerikanische Beziehung durch den
Militärpakt ANZUS für gegenseitige Unterstützung, an
dem Neuseeland als dritter Partner beteiligt war. Als
Gründungsmitglied der Vereinten Nationen stimmte
Australien der Entkolonialisierung der Inseln im Pazifik
und der politischen Wegbereitung zur Entlassung
Papua-Neuguineas in die Unabhängigkeit zu, die 1975
erfolgte.
Die Menzies-Ära
1949 wurde Robert Menzies australischer Premierminister
und leitete eine lange Phase der politischen Stabilität
und Ausgewogenheit ein. Während des Krieges hatte sich
die alte United Australian Party aufgelöst. An der
Stelle des dadurch entstandenen politischen Leerraums
entstand die Liberal Party, die starken Zustrom aus den
Reihen derer erhielt, die die Innenpolitik der
Laborpartei nicht unterstützten. Menzies, der das Amt
des Premierministers bis 1966 ausübte, verlieh
Australien erstmals eine zentrale und individuelle
politische Führung. Er betonte die emotionale Bindung
zur britischen Krone, zeigte jedoch ein weitaus
aktiveres Interesse an den Vorgängen im Pazifik und in
Südasien, als es je einer seiner Vorgänger getan
hatte. Im Rahmen des Colombo-Planes konnten Asiaten an
australischen Einrichtungen studieren. 1966 war die
White Australia Policy bereits ihrem Untergang geweiht,
wurde aber erst 1973 offiziell abgeschafft.
Trotz der emotionalen Verbundenheit von Menzies mit
Großbritannien wurde das Bündnis Australiens mit den
Vereinigten Staaten von Amerika immer enger. Australien
richtete sich in seiner Außenpolitik nach dem
amerikanischen Vorbild und nahm am Koreakrieg teil, trat
dem Verteidigungsbündnis des Südostasienpaktes SEATO
(South East Treaty Organization) 1954 bis zu seiner
Auflösung 1977 bei und kämpfte im Vietnamkrieg als
Alliierter der Vereinigten Staaten. Zur gleichen Zeit
wurde die Innen- und Außenpolitik Australiens an die
Veränderungen angepasst, die die Zunahme der
wirtschaftlichen Bindungen zu Japan mit sich brachten.
Ab 1966 bis 1972 stellte die Liberal Party mit
Unterstützung der Country Party mehrere
Premierminister, die sich um einen politischen Anschluss
an die Menzies-Ära bemühten. 1972 kam jedoch wieder
die Labor Party unter dem Vorsitz von Gough Whitlam an
die Macht, nachdem sie nach Jahren der Zerrissenheit
ihre Einheit wieder hergestellt hatte. Die Pläne von
Whitlam für die Verbesserung der Sozialleistungen
kollidierten jedoch mit dem traditionellen Recht der
Bundesstaaten auf Selbstbestimmung und dem Rückgang des
wirtschaftlichen Wohlstands. Die Koalition der Liberalen
und der Country Party kehrte nach der umstrittenen
Auflösung der Regierung Whitlams durch
Generalgouverneur Sir John Kerr unter Malcolm Fraser
1975 an die Macht zurück. Fraser schwenkte sowohl im
Bereich der Innen- und Außenpolitik auf die politische
Linie der früheren Regierungen der Liberal Party
zurück und schuf durch die Einführung des Aboriginal
Land Rights Act 1976 im Northern Territory, der den
Anspruch der Aborigines auf Grund und Boden regelte, die
Grundlage für den späteren Anspruch der australischen
Urbevölkerung auf Landrechte.
Frasers Koalition überstand die Wahlen von 1980 nur mit
einer geringen Mehrheit. Er erlitt in den Wahlen im
März 1983 eine empfindliche Niederlage, nachdem die
Partei bereits durch abtrünnige Mitglieder und
Außenhandelsskandale geschwächt worden war. Sein
Nachfolger, Robert Hawke, gehörte der Labor Party an
und bemühte sich um die Ankurbelung der Wirtschaft
sowie die Förderung der Zusammenarbeit zwischen
Arbeiterschaft und Management. Seine Außenpolitik war
strikt proamerikanisch. Die Laborpartei konnte ihre
Mehrheit in den Wahlen im Dezember 1984, Juli 1987 und
März 1990 erneut bestätigen. Im Dezember 1991, als in
Australien eine Wirtschaftsrezession einsetzte und die
Popularität von Hawke langsam schwand, wählte die
Laborpartei Paul John Keating, den ehemaligen
Finanzminister der Regierung Hawke, zum
Parteivorsitzenden und Premierminister. Keating, der die
Umbildung Australiens zur Bundesrepublik befürwortete
und die Notwendigkeit der Reorientierung in Richtung
Asien betonte, führte die Labor Party in den Wahlen vom
März 1993 zum Sieg.
Zeitgenössische
australische Kultur
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Das kulturelle Leben Australiens im 20. Jahrhundert
lässt sich in zwei deutlich voneinander getrennte
Epochen trennen. Von 1901 bis zum 2. Weltkrieg
spiegelten sich in der australischen Bevölkerung immer
noch die fundamentalen Grundlagen des britischen Erbes
wider. Das kulturelle Leben wurde von der Bevölkerung
der Städte innerhalb der ursprünglichen
Kolonialstrukturen bestimmt. Der Sitz der Regierung in
Melbourne mag bis zur Entstehung der Hauptstadt Canberra
zur Bewahrung der älteren Überzeugungen auf der
Grundlage der britischen Traditionen beigetragen haben,
und nur wenige Autoren und Kommentatoren sprachen
landesweit relevante Themen oder Probleme an.
Der 1. Weltkrieg bewirkte die Entstehung einer neuen
australischen Identität und eines Nationalbewusstseins.
Die Australier entwickelten in den zwanziger und
dreißiger Jahren in der Innenpolitik einen
selbstbewussten Nationalismus, behielten jedoch
weiterhin als Mitglieder des Völkerbundes und des
britischen Commonwealth ihre untergeordnete Rolle und
ihren Provinzialismus bei. Der 2. Weltkrieg wirkte
dementsprechend wie ein Schock auf Australien. Die
Australier, die ihre unmittelbare Abhängigkeit von der
militärischen Unterstützung seitens der Amerikaner und
die Notwendigkeit, ihre eigene Position im Weltgeschehen
zu definieren und zu verstehen, erkannten, erlebten
praktisch eine Art Kulturrevolution.
Die ersten Umwälzungen erfuhr die Struktur und
Zusammensetzung der australischen Bevölkerung. Ab 1946
kamen Tausende von Immigranten aus Ost- und Südeuropa
in die australischen Vorstädte. Diese Veränderung
führte dazu, dass die australische Bevölkerung nicht
nur faktisch durch ihre Zusammensetzung internationaler
wurde, sondern auch in ihren Ansichten. Der Wohlstand in
den fünfziger Jahren ermutigte zu neuen Vorstößen im
Bereich des Bildungswesens. Fast über Nacht
verdreifachte sich die Anzahl der Universitäten in
jedem Staat. Die Regierungen ermöglichten jedem, der
die notwendigen Qualifikationen besaß, eine kostenfreie
Ausbildung auf Universitätsniveau.
In den sechziger Jahren erkannte man die Rechte der
australischen Urbevölkerung stärker an. Die Aborigines
erhielten schließlich 1967 das volle Wahlrecht und
wurden als vollwertige und rechtmäßige Bürger
Australiens anerkannt. Darüber hinaus wurden sie
erstmals 1967 bei Bevölkerungsstatistiken
berücksichtigt. Trotzdem waren sehr viel tief
greifendere Maßnahmen vonnöten, um die soziale,
gesundheitliche, bildungsmäßige und wirtschaftliche
Benachteiligung der Aborigines zu beenden; Maßnahmen,
die auch heute noch erforderlich sind.
Zur gleichen Zeit begannen die Australier, sich immer
deutlicher von den Ansichten der amtierenden Politiker
zu distanzieren. Daran war zum Teil die Reaktion der
Bevölkerung auf den Vietnamkrieg Schuld, die als
Aufschrei der Öffentlichkeit angesichts der Einführung
der Wehrpflicht 1964 verstanden werden muss. Die
Wehrpflicht wurde acht Jahre später abgeschafft. Die
australische Bevölkerung schien aber auch durch einen
Generationenkonflikt zerrissen. Die Qualitäten und
Eigenschaften der australischen Lebensart wurden in
Zeitschriften und Zeitungen, in den Universitäten und
den Rathäusern untersucht und diskutiert. Diese Suche
nach der eigenen Identität war zwar bis zur Mitte der
siebziger Jahre abgeschlossen, trug jedoch ganz klar zur
Auflösung älterer Überzeugungen und Ansichten bei. Zu
den bedeutenderen kulturellen Schwierigkeiten, mit denen
Australien in den achtziger und neunziger Jahren zu
kämpfen hatte, gehörte die Problematik der Landrechte
der australischen Urbevölkerung. Wie auch andere
Kolonial- und Siedlungsnationen musste sich Australien
diesen Forderungen der Ureinwohner stellen, die man
jahrhundertelang einfach ignoriert hatte.
Australien beging 1988 seine Zweihundertjahrfeier. 1993
wurde Sydney zum Austragungsort der Olympischen Spiele
2000 gewählt. Am 2. März 1996 fanden Parlamentswahlen
statt. Das liberal-konservative Oppositionsbündnis
verdrängte die Laborpartei nach 13 Jahren von der
Macht. Wahlsieger und neuer Premierminister wurde der
Liberale John Howard (Wiederwahl 1998). Eine
verfassunggebende Versammlung beschloss im Februar 1998,
dass die australische Bevölkerung 1999 in einer
Volksabstimmung darüber entscheiden wird, ob das Land
ab 2001 Republik werden soll.
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